Home Story mit Christian Jenny, Thalwil

Gibt es eine besondere Geschichte oder Erinnerung, die du mit dem Memorial Bergrennen verbindest?

Steckborn-Eichhölzli hat für mich eine ganz besondere Bedeutung. Als 1955 zum ersten Mal ein Bergrennen von Steckborn hoch zum Eichhölzli angekündigt worden war, befand sich auf der Teilnehmerliste Albert «Bätsch» Scherrer aus Riehen, BS. Mit seinem Jaguar XK 120 von 1949 – einem jener sagenumwobenen, handgebauten ersten Jaguar Nachkriegssportwagen – war er schon längst ein weitbekannter Rennfahrer, der wohl an einem bedeutenden Teil der automobilen Schweizer Rennsportveranstaltungen seit 1950 teilgenommen hatte und mehr noch, die Rennen jeweils gewonnen oder zumindest auf dem Podest gestanden hatte.

Ganz besonders an den Rundrennen im und um den Berner Bremgartenwald hatte er sich bei den Sportwagen ausgezeichnet und war auf das Podest gefahren; in 1950 den 3., 1951 den 1. und 1952 den 2. Rang. Darüber hinaus aber war Scherrer geradezu versessen aufs erfolgreiche Bestreiten der Schweizer Bergrennen. Sein Palmarès umfasst alle wichtigen und bekanntesten Schweizer Bergrennen jener Zeit: Vue des Alpes, Siders-Montana-Crans, Kandersteg, Les Rangiers, Rheineck-Walzenhausen-Lachen, Lenzerheide, Albispass, Altstaetten-Stoss, Kandersteg, Maloja, nur um die wichtigsten zu nennen. Und jeweils immer im 1. 2. oder 3. Rang.

Nach 1953 war es um den Namen Scherrer wesentlich ruhiger geworden. Allzu oft liess er den XK 120 in seiner Garage stehen und fuhr an dessen Stelle einen neu erworbenen Mercedes Benz 300 SL, einen Flügeltürer und, besonders selten, in Aluminium gefertigt. Hier stand ihm aber das Renn-Glück nicht mehr so recht zur Seite. Offensichtlich hatte er den XK 120er bis in den letzten Kurven-Zentimeter im Griff gehabt, beim 300 SL war es offenbar ein wenig anders. Ein glücklicherweise ohne Personenschaden abgelaufener Unfall beendete hier die Karriere – beinahe.

Und damit kommt die Bedeutung von Steckborn-Eichhölzli für mich in den Fokus: 1955 raffte sich Albert Scherrer noch einmal auf, brachte den XK 120 in Steckborn an den Start – und gewann. Und dieser XK 120, der Siegerwagen von 1955, steht in meiner Garage. Und nicht nur das: da war doch 1955 noch ein Wagen, der ebenso mit Bravour zum Eichhölzli hoch gefahren ist: ein 1950 gebauter Jaguar XK 120, dieser allerdings nun auf der Assembly Line in Serie gefertigt, gesteuert vom Waadtländer Robert Jenny (keine Verwandtschaft) und damit – es hing nur gerade an einer Sekunde – von Scherrer geschlagen wurde, also den zweiten Rang herausfuhr. Und dieser XK 120 mit der Startnummer 107 (siehe das Hauptbild von Steckborn – Eichhölzli), der Zweite von 1955, steht ebenso in meiner Garage. So hat das Memorial Bergrennen Steckborn – Eichhölzli eine geradezu mystische Bedeutung mit Siegerfahrzeug und Zweitplatziertem unter (m)einem Dach.

Das Memorial Bergrennen Steckborn promotet Syn-fuel, was ist deine Meinung dazu?

Syn-fuel ist eine höchst willkommene Entwicklung: Auf der Basis von Wasserstoff mit weiterer Synthese zu Methanol ergibt sich ein hervorragender Ausgangsstoff, aus dem ein weites Spektrum von künstlich hergestellten Treibstoffen produziert werden können. Syn-fuels können «grün», d. h. mit einem äusserst geringen CO2-Anteil (d. h. ca. 99 % CO2-frei) hergestellt werden, wobei die entsprechende elektrische Energie Solar oder mittels Windturbinen gewonnen wird, natürlich auch aus Wasser- oder Kernkraftwerken stammen kann. Aus dem chemisch oder elektrolytisch «grün» gewonnenen Wasserstoff (H2) erfolgt die Synthese zu Methanol (CH3OH). Methanol kann bereits als solches als Triebstoff verwendet werden oder aber durch einen Raffinierungsprozess zu eigentlichen Syn-fuels weiter verarbeitet werden.

Syn-fuels durchlaufen im Betrieb in einem Verbrennungsmotor, resp. einer Gasturbine (Flugzeuge, ev. auch Schiffe!) einen geschlossenen Kreislauf: Bei der Herstellung wird CO2 der Atmosphäre (oder auch dem Meerwasser) entnommen und in exakt dem gleichen Anteil bei der Verwendung wieder an die Atmosphäre zurückgegeben. Demzufolge ist im Betrieb eine völlig Null zu Null aufgehende Balance von Kohlendioxyd festzustellen, also CO2 Neutralität. Dies ist, was für die Klimaneutralität erwartet wird – und übrigens in Batterie-gestützten Elektroantrieben ähnlich verläuft. Weder Syn-fuel betriebene Fahrzeuge noch elektrisch angetriebene Fahrzeuge vernichten CO2, wie das immer wieder von unbedarften grünen Phantasten gefordert wird – wäre dann wohl geradezu ähnlich eines «Perpetuum Mobile» zu sehen.

In einem Team von drei Verantwortlichen des Swiss Car Register in Safenwil, AG, haben wir mit der Hilfe der Firmen «Silent-Power AG» in Cham sowie der Fa. «Autowelt Bachmann AG», Inwil, einen VW Beetle 1999 zu einem ausschliesslich Methanol-betriebenen Fahrzeug umgebaut. Das Fahrzeug ist sehr gut betriebsbereit, und ist bei Verwendung von «grünem» Methanol auch völlig CO2-neutral im Betrieb. Zur Abklärung der erzielten Messwerte liessen wir es eine ganze Reihe von Messungen auf dem Prüfstand durchlaufen. Diese haben gezeigt, dass die Leistung exakt der von Volkswagen angegeben Motorleistung entspricht, ebenso das Drehmoment entspricht jenem im Benzinbetrieb; der Methanol-Verbrauch hingegen wie erwartet ist präzise das Doppelte von jenem im Benzin-Betrieb. Dies rührt daher, dass Methanol nur 50 % des Wärmewertes von gängigem Benzin 95 enthält. Wichtig dabei aber ist, dass alle Fahreigenschaften unverändert blieben. Der umgebaute VW Beetle ist heute im Verkehrshaus der Schweiz zu bewundern.

Von praktisch allen Branchenkennern ist es heute eine unabdingbare Forderung, dass für den Luftverkehr geeignete Syn-fuels zur Ablösung von fossilem Kerosin entwickelt werden muss. Nur so kann dem Grundsatz der Vermeidung von fossilen Treibstoffen und damit zur Reduktion des CO2-Ausstosses in der Luftfahrt 100-prozentig entsprochen werden. Kein Zweifel: es besteht ein dringender Bedarf nach einem sinnvollen und vor allem völlig «grünen» – d.h. klimaneutralen – flüssigem Treibstoff. Ebenso wird ein geeigneter Treibstoff für schwere Nutzfahrzeuge notwendig, die in der Regel nicht mit Batterien und daraus gespiesenem Elektroantrieb vernünftig betrieben werden können – ein 40-Tönner bedarf für den internationalen Transport zumindest einer Batterie zwischen 10 und 15 t Gewicht.

Was aber einen noch weit höheren Bedarf an Syn-fuel notwendig macht, ist das Faktum, dass im Jahre 2035 – also in 12 Jahren – weltweit noch mindesten 1.5 Milliarden Personenfahrzeuge mit Verbrennungsmotor im Einsatz stehen werden. Und dies selbst bei einer rigorosen Umstellung der Produktion zu 100 % auf elektrisch mit Batterie betriebenen Neuwagen (was nota bene kaum zu erwarten sein wird). Diese Fahrzeuge werden ohne weitere Schritte dann weiterhin mit fossilen Brennstoffen betrieben, was eine Reduktion des weltweiten CO2-Ausstosses deutlich erschwert, wenn nicht verunmöglicht. Eine rasche Entwicklung von Syn-fuel ist schon aus diesem Grunde eine unbedingte Notwendigkeit, die leider von unserer Politik in grossem Masse ignoriert wird.

Für uns Besitzer von historischen Fahrzeugen wird ein Betrieb mit Syn-fuel technisch ohne weiteres möglich sein. Künstliche Triebstoffe müssen und werden ohnehin entwickelt werden. Vorausgesetzt, dass die in Zentraleuropa heute völlig aus dem Ruder gelaufene Klimapolitik in ihrer geradezu «woken» Uneinsichtigkeit nicht zeitnah radikal geändert wird, werden jedoch in dieser Hinsicht die USA, Australien und Asien die alleinige Führungsrolle übernehmen und uns dazu zwingen, unsere Treibstoffe aus Übersee resp. dem Nahen Osten, China oder Indien zu beziehen. Natürlich wird niemand nur für uns Fahrer von historisch-klassischen Fahrzeugen Syn-fuels entwickeln wollen, dazu ist der Markt einfach zu klein, aber wir dürfen getrost feststellen, dass in anderen Belangen ein enormer Bedarf an künstlich und damit «grün» hergestellten Treibstoffen besteht und dem auch schon allein aus geschäftlichen Gründen entsprochen wird.

Was uns in dieser Hinsicht aufhorchen lässt, ist die Bereitschaft der ARAMCO Gruppe in Saudi-Arabien auf Syn-fuels für die Zukunft zu setzen, da die berechtigte Beunruhigung besteht, dass in den kommenden 50 Jahren mit dem Rückgang der heute bekannten Reserven die ÖL-Förderung zunehmend teurer wird. Zudem finden sich gerade auf der arabischen Halbinsel hervorragende Windverhältnisse, so dass eine Produktion von Wasserstoff mit grüner Energie und ebenso die anschliessende Synthese von Methanol relativ leicht und vor allem ökonomisch völlig «grün» möglich sein wird. Zudem, aller Experten-Auskünften gemäss zu einem Preis der mit heutigem Benzin (vor Steuerabgaben!) gut vergleichbar ist. Die Zukunft für den Betrieb unserer Fahrzeuge ist entsprechend von der Durchsetzungskraft der internationalen Klimapolitik und der damit verbundenen Geschäftstüchtigkeit ausserhalb Europas abhängig und kann nicht durch politische Ignoranz und Engstirnigkeit in unseren Ländern vereitelt werden.

Welche Eigenschaften zeichnen dich als Enthusiast aus?
Was vor 45 Jahren mit einem offenen E-Type Cabriolet seinen Anfang nahm, entfaltete sich über die Jahre zu einer umfassenden Sammlung von Jaguar Sportwagen: «The Jaguar Sports Car Collection», ein Dutzend offener Zweisitzer die aufgrund einer Vielzahl von Veröffentlichungen einen grossen Bekanntheitsgrad erlangten. Vor allem auch, da ich ein Buch zur Sammlung publiziert habe das sich sowohl in der Schweiz wie in England und Übersee recht gut verkauft hat. Jedenfalls ist die erste Auflage restlos ausverkauft und verlangt nun nach einer Erneuerung oder noch wahrscheinlicher, nach einem gänzlich neuen Buch, denn vieles hat sich in der Jaguar Sports Car Collection seither verändert. Einige Autos wurden verkauft, neue, noch spannendere Exemplare kamen hinzu. So glaube ich mich zumindest als «besessener Enthusiasten» beschreiben zu wollen, oder besser noch, als einen der den schmalen Grat zur Obsession beschreitet (dies in Anlehnung an den Titel eines Berichts zu meiner Person im NZZ Folio.
Dabei wollte ich anfänglich einfach ein paar schöne Autos besitzen, Sportwagen mit denen ich gefällige Ausfahrten unternehmen könnte und darin einen Ausgleich zur IT (meinem Beruf) fände. Und Jaguar mussten es sein – hatte ich doch schon sehr früh in meinem Leben eine besondere Liebe zu dieser Marke gefunden. Mit der Zeit kamen mehr Jaguar Sportwagen hinzu und nach etwa 10 Jahren war der sportliche Aspekt derart überwiegend, dass ich begann an Rallyes teilzunehmen. Tage und auch Nächte mit einem agilen Sportwagen über Pässe und Naturstrassen zu jagen, nach vorgegebenen Zeiten zu fahren, die Spannung von Zeitdruck und Kartenlesen in unbekannten Gebieten erleben, mit Roadbooks und Zeittabellen umgehen — in einer Zeit wo es weder Mobiltelefone noch GPS oder sonstige elektronische Navigations- und Zeithilfen gegeben hat. Mit einem Mal war ich tief drinnen in dieser besonderen Sparte des sportlichen Wettkampfs mit historischen Fahrzeugen.
Viel mehr wäre da natürlich hinzu zu fügen. Wichtig erscheint mir aber feststellen zu dürfen, dass das Sammeln von historischen Automobilen vor allem Freude bereiten soll. In meinem Falle sich zu einer regelrechten Passion entwickelte, was bedeutet, sich beständig drein knieen und mit den Sammelobjekten aufs intensivste zu leben. Gibt schon mal schmutzige Hände obschon in meinem Falle es immer wieder den Spezialisten hier und im Ausland erfordert um es auch fachgerecht zu machen. Meine Leidenschaft ist die Originalität eines Fahrzeugs, die Suche nach jenem Zustand in dem es sich einst befunden hatte als es über die Fabrikschwelle rollte; Konservieren statt Restaurieren soll für mich das Motto sein. Es liegt in der Natur dieses Maxims, dass dies weit aufwendiger ist, viel mehr Zeit, Sachkenntnisse, Sorgfalt und auch Geld benötigt als einfach alles schön herzurichten, mit möglichst neuwertigen Teilen auszustatten und Lack und Interieur auf Hochglanz zu polieren.
Mit Historischen Fahrzeugen Geld verdienen zu wollen ist aus meiner Sicht der falsche Ansatz. Der Wert eines Klassikers ist nicht in Franken, Euro, Dollar oder Pfund zu messen sondern in der Bedeutung des Objekts aufgrund von Identität, Geschichte und Substanz. Natürlich gibt es dann und wann Sammler denen es einmal gelang mit Autos einen finanziellen Erfolg zu erzielen, aber dies sind wenige und von all jenen die Misserfolge hatten und dabei Bedeutendes verloren haben hören wir selten oder nie. Dabei ist es eine belebende Herausforderung der Identität eines Fahrzeugs nachzugehen, die Substanz im Detail zu überprüfen oder einer automobilen Historie nachzugehen. Schon beinahe ein «Krimi» die Leute auszuforschen, im Internet nach versteckten Angaben zu surfen (wie z.B. einst gefahrene Zeiten am Steckborn – Eichhölzli Bergrennen zu erfahren) und gegebenenfalls extra eine Reise zu einem früheren Besitzer zu unternehmen, um mehr über die eigene Preziose zu erfahren. Das ist jedenfalls wie ich es mir ausgesucht habe und soweit bringt es mir grosse Lust und Befriedigung.

Christian Jenny fährt am Memorial mit dem Jaguar XK 120 Alu, 1949, 6 Zylinder, 3442 ccm, 160 PS  (Siegerfahrzeug Bergrennen Steckborn 1955, gefahren von Albert Scherrer, Riehen).

Ausserdem ist er im Besitz vom Jaguar XK 120, 1950, 6 Zylinder, 3442 ccm, 160 PS (2. Rang Bergrennen Steckborn 1955, Team Ecurie La Meute, Lausanne). Am Rennen wird dieses Fahrzeug von Georg Dönni gefahren.

Interview Claude Schönherr

Facebook
Twitter
LinkedIn
Pinterest
Interessant? Gleich teilen: